2. Der Chatten und Hermunduren Streit um den heiligen Salzfluß.

[1] Wo das Gebiet der Hermunduren an das der Chatten grenzte, floß die Saale, ein beiden Völkern heiliger Fluß, dessen Wasser, über glühende Baumschichten gegossen, ihnen das Salz lieferte. Die Salzquellen waren den Germanen insgesammt heilig, denn sie glaubten, daß die Götter dort nahe wohnten und an solcher Stätte die Gebete der Sterblichen eher erhörten als anderswo. Chatten und Hermunduren kamen über den Besitz dieses Salzflusses in Streit; vor der Schlacht weihten die Chatten auf den Fall des Sieges das feindliche Heer, Männer und Rosse ihren Göttern Mars und Merkur1. Aber der Kampf fiel unglücklich für sie aus, und die Hermunduren vollzogen an ihnen selbst, was sie gelobt hatten, indem sie die gefangenen Chatten ihren Göttern opferten.

Tacitus, 13, 57.

1

Nach Grimm d. Myth., 2. Ausg. 999, wären unter Mars und Merkur die deutschen Götter Wuotan und Ziu zu verstehen.

Quelle:
Karl Lyncker: Deutsche Sagen und Sitten in hessischen Gauen. Kassel 1854, S. I1-II2.
Lizenz:
Ausgewählte Ausgaben von
Deutsche Sagen und Sitten in hessischen Gauen
Deutsche Sagen und Sitten in hessischen Gauen